Im brandenburgischen Panketal nördlich von Pankow, im Speckgürtel von Berlin, gibt es seit April 2017 das kleine und feine Geschäft „NUR EIN MÜ.“ von Jenny Trojak. Die gelernte Druckerin und Medienfachwirtin hat sich hier ihren Traum vom eigenen Laden erfüllt. Poetisch klingen ihre Beschreibungen, wenn sie zum Beispiel das Druckverfahren Letterpress erklärt: „Im Buchdruck wird das Papier von den Lettern nur zart geküsst. Der Letterpress zeichnet sich durch die tiefe Prägung in das Papier aus. Wie zu Gutenbergs Zeiten lasse ich besondere Drucksachen mit Bleilettern entstehen. Und auch aus digitalen Daten kann ich mit Druckklischees handwerkliche Schätze verwirklichen. Die Drucke beeindrucken nicht nur visuell. Sie sind spürbar schön und nostalgische Unikate.“
Herzstück Heidelberger Tiegel
Das Herzstück ihrer Werkstatt ist der Heidelberger Tiegel. Die rund 60 Jahre alte Maschine ist ein Meisterwerk und ein absolutes Liebhaberstück. Sie kann nicht nur drucken, sondern auch stanzen, rillen, perforieren, nummerieren und prägen. „Und das alles mit einem Minimum an Chemie und Energie – einfach fantastisch!“ Für die Weiterverarbeitung des Papiers kommen in der kleinen Manufaktur weitere Schätze zum Einsatz. Es wird geschnitten und geheftet, heißfoliengeprägt und abgerundet. Rückblickend war ihr Weg nicht einfach. Schon während ihrer Ausbildung zur Druckerin musste Jenny Trojak den Betrieb wechseln, weil es damals viele Insolvenzen in der Branche gab. Insgesamt arbeitete sie neun Jahre in diesem Beruf. Während dieser Zeit absolvierte die dreifache Mutter eine Fortbildung zur Medienfachwirtin. Nachdem sie dann sechs Jahre als Produktionerin gearbeitet hatte, sehnte sie sich in Zeiten der aufstrebenden Onlinedruckereien an die Maschine zurück, nach Technik und Zuverlässigkeit, erklärt sie ihren Schritt in die Selbstständigkeit. Dass sie es schließlich wagte, war auch eine Aneinanderreihung von Zufällen. Zum einen habe sie im Amtsblatt der Gemeinde gelesen, dass eine Papierschneidemaschine und Setzschränke zu verkaufen seien. „Ich war damals in Elternzeit und dachte mir: Ich möchte das Kulturgut Buchdruck retten.“ Die Ausstattung bestand aus zwölf Setzkästen mit Lettern, zwei Bostontiegel und einer Papierschneidemaschine. Für ein Hobby war dieses Vorhaben allerdings viel zu groß. Denn allein für die Schriftschränke würde sie einen eigenen Raum benötigen. Kurze Zeit später las sie im Newsletter der Fachzeitschrift „Deutscher Drucker“, dass ein Heidelberger Tiegel zum Verkauf stand. „Mit dem Kauf habe ich gleichzeitig das Gutenberg-Museum unterstützt“, sagt sie stolz. Denn der Erlös floss komplett in die Renovierung der Mainzer Kultureinrichtung. Doch das „Herzstück“ konnte wegen seines Gewichts nicht auf Dielen stehen. „Wir brauchten also einen geeigneten Raum. Ich entdeckte, wieder durch Zufall, ein Schuhgeschäft, in dem ein Schuhmacher auch seine eigene Werkstatt eingerichtet hatte.“ Es handelte sich um einen Verkaufsraum mit der Einrichtung eines ehemaligen DDR-Ladens. Rundherum standen Regale und ein alter Schuhspiegel auf Leisten. „Ich war sofort begeistert!“ Gemeinsam mit ihrem Mann und Freunden baute sie den Raum in ihrer Freizeit um – so wenig wie möglich, damit das ursprüngliche Flair erhalten blieb.
Ausgesuchtes Sortiment mit Mehrwert
In ihrem Sortiment führt sie Marken wie Koh-I-Noor, welche historische Fallbleistifte herstellen, Kartoffelstärkekleber von Coccoina aus Italien, besonderes Künstlergraphit aus Portugal und feinste Papiere, Werkzeuge und Zubehör von dem kleinen Papierladen Carta Pura aus München. „Die Stempel von Cats on appletrees, einem Dresdner Hersteller, führe ich seit Beginn und gebe auch Workshops mit einem Großteil der Kollektion.“ Trojak will mit ihrem Angebot vor allem inspirieren und die Kreativität anregen, zum Beispiel mit Stempeln und Garnen. So gibt es weniger fertige Geschenke zu kaufen als solche, die erst noch entstehen. Am liebsten verkauft sie Produkte mit Mehrwert, wie zum Beispiel einen Bleistiftspitzer aus dem Jahr 1890, der zeitlos ist und eine Geschichte erzählt, oder natürlich schöne Dekorationen für saisonale Anlässe. In der Vorweihnachtszeit lädt sie zu „Punsch and Pack“ ein. Dann verwandelt sich der Laden in ein Atelier, und die Tische werden wie in einem gemütlichen Café gedeckt. Ein Bäcker aus der Umgebung sorgt für leckere Plätzchen und Kuchen.
Ein Kopf voller Ideen und Eindrücke
Über Instagram macht sie auf ihr Geschäft aufmerksam. Dort hat sie eine begeisterte Fangemeinde. Mehrmals im Jahr gibt sie einen Newsletter heraus. Der Rest läuft oft über Empfehlungen. „Ich habe treue Kund:innen, die immer wieder kommen und auch ihre Freunde zu mir schicken. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar!“ Regelmäßig lädt sie zu eigenen Veranstaltungen ein. „Zum Erfolg gehört natürlich auch, dass ich das Schaufenster immer wieder neu dekoriere.“ Inspiration holt sich Jenny Trojak auf Messen, in sozialen Netzwerken und in der Kunst. Sie sucht dann nach Farbkombinationen und Ideen, wie man zum Beispiel Produkte zusammenstellen kann. Gerade erst war sie auf der „Show Art“ in Amsterdam. Die Expo fand in einem wunderschönen ehemaligen Gewächshaus für Blumen statt, erzählt sie. Viele kleine niederländische Manufakturen stellten dort ihre Produkte aus. „Mein Kopf ist immer noch voller Eindrücke“, lacht sie. Auch mit einer befreundeten Kollegin, Berit Weller aus Wetzlar, die den Laden „Papier-Poesie“ betreibt, arbeitet sie zusammen, besucht Messen und gibt gemeinsam Workshops, in denen zum Beispiel Kalender, Visitenkarten oder Geburtstagskarten gestaltet werden.
Bunt gemischte Kundschaft
„Ich habe wirklich tolle Kund:innen“, freut sich Trojak. „Die kommen schon zu mir, um den Laden im Dorf zu halten und mit mir gemeinsam Ideen zu entwickeln und weiterzuspinnen.“ Es sei wichtig, nah am Kunden zu sein und ihn mit einzubeziehen. „Durch meine Beratung entdecken die Menschen ihre eigene Kreativität, fühlen sich bei mir wohl, und so entsteht eine langfristige und angenehme Kundenbeziehung.“ Es gehe darum, Produkte anzubieten oder zu kreieren, die Geschichten erzählen und eben nicht aus Fernost kommen. Der Einzelhandel müsse durch besondere Events auf sich aufmerksam machen. „Workshops sind dafür ein guter Türöffner.“ Auch Lesungen und Sonderöffnungen seien dafür sehr gut geeignet.